splash! mag - "zwischen rapupdate und feuilleton" talkrunde كلمات الأغنية
[visa vie:]
ja, dann fangen wir einfach mal direkt an mit oliver, weil du hier zu meiner rechten sitzt. rap.de ist ja ein traditionsunternehmen kann man sagen. also gibt es schon sehr sehr lange auch ich hab dort vor 100 jahren einmal praktik-m gemacht und diese firma hat ja auch so den wandel der zeit miterlebt und hat sehr viele verschiedene phasen durchlaufen. wie würdest du es gerade in der aktuellen phase sehen, liegt der fokus auf rap.de? worum geht es, wenn ihr an berichterstattung denkt? hast du da ein paar oberbegriffe was bei euch die prämissen sind?
[oliver marquart:] ja, es geht vor allem darum die rapszene in ihrer gesamtheit abzubilden von rapupdate bis feuilleton, also von dem, was sich damit verbindet, sprich, es kann also eigentlich alles relevant sein solange es mit rap zu tun hat. wir versuchen schon den fokus darauf zu legen, was für gesellschaftliche entwicklungen angestoßen werden, welche strömungen gerade wirklich interessant sind, neu sind, die einfach wahrgenommen werden. wir haben uns dabei versucht richtung gossip anzunähern, den es immer wieder gibt im rap
[visa vie:] warum habt ihr das versucht? habt ihr euch gezwungen gefühlt euch dieser thematik mehr anzunähern?
[marquart:] nicht mal gezwungen. man hat einfach gesehen, das funktioniert sehr gut. es besteht ein großes interesse an gossip unter rap-fans, es ist nur manchmal schwierig mit der rangehensweise. man kann das machen, aber man sollte es weiterspinnen, entweder l-stig oder kritisch oder manchmal kann man auch etwas drin sehen. es kommt immer auf den “gossip” an, was er genau ist. aber es ist ein großes thema und das muss man rapupdate auch mal zugute halten, d-ss sie begriffen haben, d-ss man dieses thema nicht einfach links liegen l-ssen muss. wie sie es bearbeiten finde ich nicht gut, aber, d-ss sie es bearbeiten schon
[visa:] an dieser stelle kann ich auch mal sagen, d-ss wir es versucht haben rapupdate einzuladen, aber leider gab es da keine antwort. wir hätten uns natürlich gerne auch mit den jungs oder mädels ausgetauscht
jetzt hat oliver gerade gesagt, d-ss einfach das an interesse an diesen themen beef und gossip sehr sehr sehr groß ist. ich glaube, marc, du bist jemand, der da persönlich gar kein interesse hat und auch nicht sonderlich gerne darüber berichtet
[marc leopoldseder:] nö, ich halte es ehrlich gesagt für’n zu vernachlässigendes thema. zum einen interessiert mich das persönlich überhaupt nicht, ich seh da auch nicht gerade so nen riesigen mehrwert darin diese streitereien auch noch medial weiter zu verbreiten. wenn sich bei twitter leute anbeefen, dann können sie das natürlich ruhig machen aber auf einen journalistischen ebene halte ich das halt für ein un-thema. also mich ärgert es, d-ss es so ein großes thema ist, weil es eben auch gewisse andere sachen komplett überstrahlt. wenn ich jetzt mit irgendjemandem über rap spreche, der nicht so tief da drin steckt, dann geht es natürlich gleich immer um solche dinge. “hier der hat das über den gesagt, der hat bei dem geklingelt.” und mich kotzt das an ehrlich gesagt, also ich habe keine l-st darüber zu berichten
[visa:] und du verspürst auch nicht den druck, d-ss du sagst dann lesen das aber mehr oder sehen es mehr, kaufen es mehr?
[leopoldseder:] nee, ich sehe ja auch, d-ss genügend andere leute das schon machen. das einzige, was ich da machen kann ist mich drüber l-stig machen oder drüber ärgern oder so, aber ich habe überhaupt keine l-st das in irgendeiner art und weise zu thematisieren ehrlich gesagt. das ist für mich keine schöne sache, die man noch so breit treten müsste also ich sehe da überhaupt keinen sinn, zweck und anl-ss dazu, sich damit zu beschäftigen
[visa:] gibt es denn hier jemanden in der runde, der das einfach offenkundig unterhaltsam findet, der selber sagt ich beschäftige mich gerne mit diesen themen?
[ayke süthoff:] also ich finde es offenkundig unterhaltsam. ich beschäftige mich nicht sehr viel damit, ich meine wir machen bei noisey auch nicht einfach rap, aber was wir gerne machen, ist uns über bestimmte sachen l-stig zu machen und dadurch halt so einen anderen dreh zu finden, also einen ironischen dreh. also ich selber bin irgendwie so gut wie nie auf rapupdate oder so, aber manchmal gibt so themen, die dann so darüber hinaus schwappen und es ist tatsächlich teilweise unterhaltsam, man darf es halt nur nicht so ernst nehmen. also es ist ein teil von rap, gerade beef ist ein teil von rap und man kann ganz viel ignorieren, weil das meiste ist halt einfach total uninteressant, aber manchmal wird’s halt witzig. und wenn es witzig wird, dann finde ich’s auch wirklich cool, dann kann man auch fast zu machen und sich selber nochmal “hoch nehmen” sozusagen
[visa:] woran liegt denn das überhaupt, d-ss auf noisey überhaupt so viel über rap gesprochen und geschrieben wird, weil man hat schon das gefühl, d-ss ihr manchmal eventuell auch ein paar kl!cks erhaschen wollt. ist es einfach weil es gut funktioniert oder weil ihr auch alle so ein großes rap-interesse habt
[süthoff:] es wäre sehr dreist zu sagen, wir würden nicht irgendwie gucken, was die kl!cks angeht und, d-ss diese leute das sehr interessiert, aber es liegt vor allem daran, und auch deshalb die kl!cks, rap ist halt gerade sehr angesagt, ist halt gerade sehr groß. ich denke in deutschland so, wie bisher vorher nie, dadurch ist auch das interesse sehr groß. was aber auch damit einhergeht, ist, d-ss einfach sehr viel gute musik p-ssiert und das dann auch international. also im rap p-ssiert gerade sehr sehr viel, sehr sehr viele interessante sachen und die herangehensweise bei noisey ist immer gute musik, interessante musik und dann die relevanz daraus zu ziehen. und dort sind halt die punkte, d-ss das musikalische selbst schon relevant ist, was im hip hop gerade p-ssiert und halt durch das interesse daran auch relevant ist und deswegen machen wir viel hip hop. also wir sind ja auch kein nicht-hip hop-medium. wir sind ein musik-medium und rap ist halt gerade ein sehr großer teil davon, ein sehr interessanter teil. wir würden auch mehr indie machen, aber da p-ssiert momentan echt ultra-wenig. also wenn wir gelauncht wären 2005, dann würden wir wahrscheinlich fast gar keinen rap machen und nur indie und würden da genauso hinter stehen und sagen, das ist gerade das interessanteste was p-ssiert
[visa:] um nochmal ein bisschen zu dem ganzen gossip-thema zurückzukommen. davide, du warst ja jahrelang, sehr sehr lange juice-chefredakteur und natürlich noch zu so’ner zeit in der das gefühlt noch nicht so eine große rolle gespielt hat. jetzt bist du so ein bisschen raus, also du bist zumindest hauptberuflich nicht mehr musik-journalist, wie beurteilst du diese ganze entwicklung? siehst du das irgendwie mit ekel von außen, denkst dir ” oh gott, was ist da p-ssiert mit euch allen in den letzten jahren”?
[davide bortot:] es ist eine mischung aus ekel, faszination, bel-stigung, erschrecken darüber, d-ss ich bel-stigt bin und trauer darüber, d-ss es wenig alternativen gibt. ich finde das ist das hauptproblem. zum einen muss ich sagen, l-stigerweise als ihr gerade darüber gesprochen habt, ich hab mich zurück erinnert an manche juice-gespräche, die wir damals hatten. und es war ja zu einer zeit, wo die ganze thematik, wie gut das funktioniert noch nicht so ein großes thema war, vor allem deswegen, weil man’s nicht so gut rausfinden konnte. es gab halt die verkaufszahlen und wir haben letzten endes das vielleicht auf die cover-auswahl zurückgeführt. aber wir haben eigentlich nicht darüber geredet, das war nicht so ein großes thema. gleichzeitig haben wir uns trotzdem sehr gefreut, wenn in interviews interessante aussagen gemacht wurden. als ich angefangen habe gab’s noch eine generation von rappern, ich sag mal die leute die so ende der 90er hochgekommen sind, für die war das nicht sehr üblich über ihr privatleben zu sprechen zum beispiel. so’n samy deluxe war immer eher so “ja, es geht halt um musik und so”, ne? und dann kam diese generation von sido, bushido, fler, aggro und alles was danach kam für die das plötzlich ganz normal war, über ihr privatleben zu sprechen, weil sie auch in ihren texten ihre kindheit oder ihr umfeld thematisiert haben und das hat dazu geführt, d-ss ganz andere interviews geführt wurden. das war nicht so ein halbstündiges “yo, fette beats”-abklatschen, sondern das war plötzlich so “da erzählen leute geschichten” und ich fand das als journalist auf ‘ne art interessant. dann kamen wir natürlich an einen punkt, wo plötzlich andere leute angegriffen wurden, auch beleidigt wurden und wo wir überlegt haben, ob man das jetzt druckt oder nicht druckt, aber es wäre gelogen zu sagen, wenn wir uns nicht… wir haben uns genauso gefreut wenn bushido damals was gesagt hat. ist definitiv so, und die ganze frage, ob sich das jetzt positiv auf unsere verkaufszahlen auswirkt, war einfach nicht so ein thema. um auf deine frage zu antworten: ich bin super froh, d-ss ich dieses spiel nicht mitmachen muss, d-ss davon nicht mein broterwerb abhängt, d-ss ich das genau dann lesen kann, wenn ich möchte und, d-ss ich über das schreiben kann, was ich möchte und um ehrlich zu sein, ich hab da nicht so spaß darüber zu schreiben. dadurch d-ss ich aus spaß schreibe, schreibe ich über andere themen und ich finde es ein bisschen schade, d-ss das kaum leute machen und es kaum leute geschafft haben, über andere dinge zu schreiben und damit geld zu verdienen, das fehlt mir. dann finde ich kann rapupdate gerne weiter existieren. sehr gerne sogar
[visa:] mich würde interessieren, wenn wir eben über diese entwicklung sprechen, ralf du bist ja glaube ich ein großer kritiker was die medienberichterstattung über rap von außen betrifft: sind wir dann aber alle auch ein stück weit mit schuld daran, weil wir eben einerseits das konsumieren, weil wir einerseits auch diesen ganzen beef irgendwie aufarbeiten und quasi diese gossip-themen auch immer wieder größer machen als sie eigentlich sind, also sind eigentlich gar nicht die medien von außen schuld die so über uns denken, weil wir das alles selber so ein bisschen fabrizieren?
[ralf theil:] ja, das hat viele dimensionen, aber das hängt natürlich auch mit wahrnehmbarkeit zusammen. wenn der große elefant, der im raum hiphop steht repräsentativ wahrgenommen wird nur über quatsch redet nur über beef redet und wer was auf facebook geschrieben hat und wer wen besuchen wollte, dann ist das eine sache, die natürlich auch auf die außenwahrnehmung abfärbt. man kann das nicht nur dem vorwerfen, der das wahrnimmt und sieht “ach, guck mal die hip hopper stressen sich alle nur und machen nur quatsch”, natürlich schreibt man darüber, weil es wahrgenommen wird und weil das ein thema ist. es ist eine marktsituation, ich meine diese berichterstattung, diese art von gossip-berichterstattung existiert ja, weil es einen markt dafür gibt. deswegen ist sie und deswegen ist sie nach außen hin wahrnehmbarer als total nerdiger qualitäts-journalismus für den sich 2000 leute in deutschland interessieren. deswegen ist es halt so, d-ss man jetzt in artikeln in der welt oder in der faz oder sonst wo auch mal rapupdate oder weiß der teufel sehen als vermeintlich seriöse quellen-angabe findet, einfach weil die da sind und das multiplizieren und wahrgenommen werden
[visa:] was ist für dich das schlimmste gewesen in der auseinandersetzung mit medien von außen? was ist das schlimmste was über rap geschrieben oder gesagt wurde in letzter zeit?
[theil:] das ist schwer zu sagen. es ärgert mich hauptsächlich so sachen, die nicht haltbar sind, die als argument benutzt werden und als argument in den raum gestellt werden und nicht hinterfragt werden oder nicht hinterfragt werden können und wenn ich dann in ner kolumne frage, was soll denn der quatsch und warum benutzte dieses lied als argument dafür, d-ss hiphop eine total gewaltsverherrlichende musik ist, das nimmt niemand wahr, der das liest. es gab im dezember so eine schönen abstrusen handelsblatt-artikel, der zum beispiel “break ya neck” von busta rhymes nur den t-tel genommen hat und geschrieben hat “ich brech dir dein genick” und das als beleg genommen hat, d-ss hiphop inherent eine gewalttätige musik-sub-kultur ist. also es gebe so viele viele bessere beispiele dafür, aber dann bleibt genau das da stehen. darüber wurde ganz viel diskutiert und ganz viele leute haben sich eingeschaltet, aber es bleibt natürlich immer unter dem radar. und jemand, der das dann im vorbei lesen bei handelsblatt online liest, bei dem bleibt das hängen, der speichert ab “ah, guck mal dieser haftbefehl macht so und der ist vorbestraft und die sind alle tendenziell so gewalttätig und gangsterig”, den interessierter nicht, was in den wochen danach darüber diskutiert wird. damit sind wir halt unterm radar und das ist halt schade, weil wenn das einmal draußen ist, kommst du da aus hip hop-mediensicht nicht hinterher
[visa:] aber du kämpfst ja dagegen
[theil:] mit meinen kleinen bescheidenen mitteln, ja
[visa:] ich hab ja gerade schon zu olli gesagt, d-ss er quasi für ein traditionsunternehmen arbeitet, das tust du ja auch, sascha, aktuell. ein anderes problem neben dieser ganzen boulevardisierung und neben diesem ganzen gossip ist ja auch so ein bisschen das gefühl, d-ss in ganz ganz vielen hip-hop-medien nicht mehr so wirklich meinung stattfindet, weil man eben eher so bisschen als verlängerter arm von promoagenturen fungiert. in der juice zählt ja meinung schon immer noch nach wie vor zumindest an einer gewissen stelle etwas, also gerade wenn es um reviews und so geht: wie siehst du das, wie problematisch ist es als rapjournalist seine meinung über rap auch darzulegen und zwar wirklich eine reflektierte meinung von mehreren seiten und nicht nur aus der promosicht?
[sascha ehlert:] wie problematisch? also ich meine, natürlich bekommt man für eine negative meinung, negativ ausgedrückte meinung, im rap sehr sehr schnell feedback, sei es in form von irgendwie erbosten anrufen von rappern in der redaktion, die dann im internet landen oder was auch immer, oder eben seien es nur die promoter die immer alle sehr gerne auf einer persönlichen ebene mit einem zusammenarbeiten, aber dann nicht so gerne sehen wenn man dann seine meinung auch äußert wenn sie negativ ist. nichtsdestotrotz muss man als szene eigentlich organe haben die auch kritik äußern, sei es natürlich auch an so dingen wie angedrohte schlägereien oder so, aber natürlich auch an der kunst an sich, weil eigentlich… wir haben jetzt ja viel über rapupdate und so geredet, aber da geht’s ja nie um musik, und uns geht’s ja sowohl um hip-hop als subkultur im verhältnis zum mainstream und so, aber auch halt um… einfach vor allem um die musik an sich. also ich glaube da braucht es immer noch rezensionen, auch im internetzeitalter, einfach damit auch leute die sich eben mehr als der durchschnittliche hörer mit musik beschäftigen so dinge ‘n bisschen einordnen, auch damit wir so als subkultur vielleicht vorankommen. ich habe mir auch gestern darüber gedanken gemacht, d-ss, es gibt ja wenige rezensionen im internet, allgood macht rezensionen, aber eher so unregelmäßig, meinrap.de macht unregelmäßig rezensionen, rap.de macht regelmäßig rezensionen, allerdings auf den deutschen raum beschränkt, aber das war es ja dann auch so ungefähr. dadurch glaube ich bekommt so eine juice-review natürlich auch noch so mehr gewicht, weil man als rapper dann, wenn man eine schlechte review kriegt, dann ist das alles was man so offiziell geäußerter kritik hört und das trifft dann natürlich auch, und dann denkt man “die wollen mir was böses” – wollen wir natürlich nicht!
[visa:] aber was wollt ihr dann?
[ehlert:] wir wollen einfach nur über die dinge schreiben die uns interessieren, ob positiv oder negativ. jedenfalls wäre es auf jeden fall begrüßenswert wenn es mehr rezensionen gäbe, damit es mehr eine meinungspluralität gäbe und nicht d-ss über so halbrelevante alben immer nur eine rezension steht, und das in der juice
[visa:] ist das denn häufiger der fall, d-ss es darauf gar keine reaktion gibt, oder d-ss es wirklich, sobald man eine negative rezension veröffentlicht hat, gibt’s auch ‘ne negative resonanz des künstlers?
[ehlert:] das bedingt sich nicht automatisch, das sind nur bestimmte künstler, also es gibt auch leute die mit kritik umgehen können in der szene, also so ist es nicht
[visa:] wie war denn das früher – sorry d-ss ich jetzt immer so auf früher, aber das interessiert mich schon davide – war das auch so d-ss du anrufe bekommen hast, oder drohungen, gab’s das schon immer?
[bortot:] hah, ja, also anrufe auf jeden fall. drohungen gab’s auch. ich glaube, ein großer unterschied ist, d-ss wir früher auch über die waajeed – platte geschrieben haben, die wir im plattenladen gekauft haben, und waajeed hat halt seltener angerufen, oder über young jeezy oder so, also damals – das glaubt man ja gar nicht aber wir haben so ein zwei deutsche cover im jahr gemacht, wir haben halt über rapmusik gesprochen und das war für uns damals in allererster linie rapmusik aus amerika und ganz bisschen england und frankreich, des war auf so eine ganz komische weise ein anderes spiel als das was jetzt p-ssiert, ja, das sind ja fast so wie das fast schon zwei genres sind ist es eine andere art der auseinandersetzung mit musik, da ging es tatsächlich dann nochmal mehr um musik als um irgendeine form inhaltlicher auseinandersetzung. aber das internet hat sicher alles verschärft, es ist jetzt auch einfacher an leute ranzukommen, damals, wir saßen ja auch in münchen und waren da so ein bisschen abgeschieden von den leuten, auch nicht ständig über den weg gelaufen und so, das war der einzige unterschied, d-ss es nicht so einfach war an leute ranzukommen und vielleicht diese auseinandersetzung nicht so üblich war, aber ja, leute waren auch böse und haben das auch artikuliert, auf jeden fall
[visa:] marc, mich würde interessieren bei dir was du schlimmer findest: d-ss viele rapmedien eben so unkritisch mit rap umgehen oder d-ss sie eben so oberflächlich und bewusst nur auf dieser entertainmentschiene unterhalten?
[leopoldseder:] also ich persönlich habe ja das gefühl d-ss das ein bisschen aus dem gleichgewicht geraten ist, das ist das was sascha gesagt hat: d-ss halt sehr wenig rezensiert wird oder d-ss sehr wenig meinung stattfindet im netz und d-ss das halt da bleibt, eben bei allgood, splashmag, wir wollen jetzt auch viele reviews machen und so, ne… also es ist zu wenig meinung da, die meinungsbildung findet mittlerweile auf ganz anderen wegen statt, also dieses d-ss man sagt: “wir sind jetzt die musikjournalisten und wir entscheiden jetzt was gut ist oder schlecht” so das funktioniert ja eh nicht mehr so wie im printzeitalter, was mich nur ärgert ist d-ss quasi durch diesen zustand so künstler halt auch völlig entwöhnt werden davon d-ss sie widerspruch ernten. ich meine, mittlerweile können rapper die größte scheiße von sich geben und das einzige was kommt ist vielleicht so eine tweet-antwort oder so, aber d-ss das tatsächlich eine hip-hop-öffentlichkeit kritisch begleitet was da alles p-ssiert so, das fehlt meines erachtens, und dann hast du halt irgendwann so absurde dinge d-ss zum beispiel künstler oder manager nach review fragen, und dann so sachen meinen wie “wir würden die euch dann schicken”, oder wenn man eine review macht die die vorher abnehmen wollen oder so, so richtig… so aus journalistensicht ist das ja saumäßig dumm, das ist eine frechheit d-ss jemand so etwas überhaupt fragt, ich meine wo sind wir denn? die wenden sich ja an die öffentlichkeit mit ihrer musik, mit ihrer kunst, was auch immer, und formulieren aber gleichzeitig den anspruch d-ss sie die kontrolle über ihre außenwirkung behalten wollen, das finde ich halt persönlich richtig albern. dann denke ich d-ss man irgendwie echt gegensteuern müsste, und dadurch d-ss das gewicht jetzt eher auf diesem “ja wir machen videoformate, wir machen videopremieren, wir machen eure promophase mit”, dadurch schrupft halt diese kritische öffentlichkeit die es eigentlich braucht, um bestimmte entwicklungen halt auch mal aufzuhalten. zum beispiel: es gab bestimmte konsensdinge in der hip-hop-szene, also zum beispiel was so r-ssismus oder solche dinge angeht, und mittlerweile herrscht da eine totale wahllosigkeit, und für mich ist das so d-ss das mit dem womit ich mich gerne auseinandergesetzt habe als ich das kennengelernt habe, hip-hop, d-ss das mit vielem halt einfach nicht mehr konform geht und ich mich da nicht mehr drin wiederfinde. dafür hätte ich gerne eine kritische öffentlichkeit, d-ss da zumindest diskussionen stattfinde, und das hat mit reviews zu tun, mit reaktionen auf das was die künstler machen
[visa:] du hast ja gerade die videoformate angesprochen, olli wie siehst du das in dieser position als mensch, der vor der kamera sitzt, der – wir haben ja auch gerade darüber geredet, das ist ein unterschied ob man in münchen oder berlin sein büro hat, ob man weiß wo man rap.de findet oder nicht – fühlst du dich quasi so in deiner meinung allein dadurch eingeschränkt, d-ss du in der öffentlichkeit bist und d-ss du dadurch in der öffentlichkeit bist und d-ss du dadurch als musikjounalist auch einfach angreifbar wirst und deswegen vielleicht weniger deine meinung kundtun würdest und als jetzt ein markt, der hauptsächlich in schriftlicher form dinge wiedergibt und vielleicht auch dadurch weniger angreifbar ist?
[marquart:] nein, denn in schriftlicher form tu ich meine meinung auch gerne kund. vor der kamera bin ich niemand der sich groß selber äußern möchte, weil ich das einfach nicht als meine aufgabe ansehe, aber gerade weil mark das nochmal angesprochen hat, ich drehe das auch nochmal ein stückchen weiter, also so ein m-ssiv-video oder, es war ein sinan-g video, aber wo dann hausverbot in tel aviv heißt so, da hab ich auch auf keiner anderen seite irgendwas kritisches dazu gelesen, das wird halt so durchgewinkt obwohl das ganz klar antisemitische untertöne hat. gut, bei einem fler, wenn der so ein briefchen schreibt, da sind sie alle dabei, weil das dann auch einfacher ist, klar, das klingt dann nach n-z-, aber die ganzen anderen kritischen themen les ich sonst nirgendwo was. “contraband” von fard und snaga wurde ja auch weitestgehend durchgewinkt, bis dann staiger mal das maul aufgerissen hat
[leopoldseder:] ja, dazu muss ich sagen, ich hab mit den beiden ein interview gemacht und das dann nicht verwendet, weil ich mich eigentlich nur gestritten habe mit denen, also…
[marquart:] das ist dann natürlich auch ein brauch…
[leopoldseder:] das ist jetzt irgendwie nicht böse gemeint oder so, aber das war – ich wusste nicht wirklich wie ich das dann als interview weiterverwerten sollte
ich fand zu “contraband” gab’s eigentlich überall kritik
[marquart:] überall?
[ehlert:] also gab es nicht auch einen hiphop.de-kommentar? also auf der juice gab es auf jeden fall einen auf der seite
[marquart:] sag ich nichts dazu, weiß ich nicht, kannst du toxik fragen
[ehlert:] aber es gab ja nicht nur staiger, der da widersprochen hat. also fard & snaga haben sich da ja ziemlich großer kritik ausgesetzt gefühlt und haben sich dann auch nochmal müßig gefühlt irgendwie in ‘nem interview ausführlich auf die kritik einzugehen, was man von ihrer reaktion halten mag, andere frage, aber, d-ss gar keine kritik geäußert wird, wenn so ne sache p-ssiert wie fler und so
[marquart:] ne, bei fler sag ich ja, da p-ssiert’s dann schon irgendwie
[ehlert:] gut, fler ist auch ein leichtes opfer
[marquart:] genau. das muss man aber fler zugute halten, der kann mit kritik umgehen. du kannst ihm sowas dann schreiben, ich habe seinen brief auch kritisiert, das ist aber keiner der ein interview deswegen absagt
[ehlert:] ich finde, man kann ja auch seine meinung kundtun, indem man bestimmte sachen noch einfach nicht berücksichtigt, wie dieses von dir angesprochene musikvideo
[marquart:] kann man machen. aber da stand ich vor der entscheidung, sag ich jetzt einfach “das machen wir nicht” und dann denken alle “ok, weil sinan g ist nicht relevant genug oder so” oder man kann auch einfach was drüber schreiben und dann auch vielleicht verknüpfen, damit, d-ss m-ssiv davor auch eine relativ fragwürdigen post bei facebook hatte, der eigentlich auch noch ins bild reinp-sst
[visa:] aber offensichtlich sind hier alle einig, d-ss alle gerne kritischeren hiphop-journalismus haben würden und trotzdem ist er ja irgendwie nicht da. also woran liegt’s?
warum sind dann nicht alle kritischer, wenn es doch eigentlich so einfach wäre?
[marquart:] ich glaube nicht, d-ss er nicht da ist. also ich glaube nicht, d-ss rapupdate auch alles ist und d-ss es nur promo ist. das wirkt auch teilweise mal so, aber man liest ja auch nicht jeden artikel durch. ich lese jetzt auch nicht jeden artikel auf meinrap.de und weiß nicht, inwieweit die vielleicht auch themen kritisch aufgreifen oder so
[leopoldseder:] meines erachtens nach fehlen halt einfach prominente formate, in denen so etwas stattfindet. ich weiß das auch aus zeiten von der juice oder jetzt allgood, beim splashmag akut, wo ich ja jetzt seit kurzer zeit erst bin, d-ss man solche sachen etablieren muss, in denen so etwas p-ssiert. früher hab ich dann, wenn irgendetwas kritisches gesagt wurde, dann war das auch mal in ‘ner review versteckt
aber es gibt halt nicht 5000 kolumnen, die jeder liest, sondern da muss man meines erachtens nach diskussion-formate erfinden, wo über so etwas gesprochen wird. ein so’n ding bei dieser kritik, ist ja auch oft so, d-ss sie von den leuten, die kritisiert werden ja auch als ‘ne subjektive kritik wahrgenommen wird, wenn es halt einfach eine person schreibt. also wenn ich jetzt schreibe ” ich finde diese aussage für’n arsch oder das und das sollte man meines erachtens nicht machen” dann können die sich drüber aufregen, aber können gleichzeitig relativieren und sagen, das ist nur die meinung von diesem einen idioten. dadurch das es kein forum gibt, wodurch so eine kollektive meinungsbildung stattfindet, p-ssiert es halt nicht prominent und das ist glaube ich das problem. d-ss kritik geäußert wird, d-ss es tatsächlich so… ich lese auch nicht alles auf rap.de, aber wahrscheinlich fehlt es daran es vernünftig zu platzieren, so d-ss es auch jeder mitbekommt
[visa:] gab es denn schon konkrete situationen, zum beispiel bei dir sascha, d-ss jemand, wenn du kritik geäußert hast zum beispiel in form einer rezension einfach wirklich dir bewusst gedroht hat? also dir im endeffekt gesagt hat, wenn du das nicht runternimmst, dann p-ssiert das und das?
[ehlert:] ne, in meinem speziellen fall nicht. nun muss man auch sagen wir als neue juice-redaktion sind ja auch erst ein jahr da.natürlich hatten wir da so unsere meinungsverschiedenheiten mit künstlern und auch mal auf meinem handy beschwerdeanrufe, die aber nicht über ein maß hinausgingen, wo ich mich bedroht gefühlt hätte. ich hab mich in meinem leben schon ab und zu mal bedroht gefühlt, aber noch nicht von einem rapper
[ehlert:] jetzt hat marc ja auch gerade angesprochen, wenn kritische meinung geäußert wird, dann wird sie ja auch im normalfall von einer einzelperson geäußert und der künstler kann dann immer noch sagen “das ist ja deine meinung”. macht man sich auch umgekehrt manchmal gedanken über die verantwortung, die man vielleicht auch für einen künstler hat und vielleicht auch für die karriere desjenigen? weil du schon gesagt hast, es gibt nicht so viele rezensionen, dann hast du da einen zerriss in der juice und für den geht die welt unter, weil er sich sagt ” ich hab all mein geld in dieses album gesteckt, allgemeine liebe und mein herzblut. jetzt zerreißt das da ein mensch, der es kacke findet und alle halten sich daran irgendwie auf”. macht man sich auch über die verantwortung auf der seite gedanken?
[ehlert:] ab und zu schon, aber nicht, während man schreibt, würde ich sagen. während man schreibt hört man halt dieses stück musik und bewertet das und da denkt man jetzt nicht an die privatperson, die man damit verletzt. vor allem, wenn man sie nicht schon persönlich zu ‘nem interview getroffen hat oder so. natürlich ist das dann auch noch eine ebene, die da rein kommt, das wir ‘ne relativ kleine szene sind und sprich: man ziemlich schnell alle mindestens einmal getroffen hat und – man ist ja auch kein arschloch, d-ss man bei leuten, die man eigentlich persönlich cool findet, da will man nicht unnötig nachtreten und nicht beleidigend werden. das ist glaube ich auch eine der größten schwierigkeiten: eine kritische review zu schreiben, oder einen “vollverriss”, der nicht persönlich den menschen hinter der kunst so sehr angreift… obwohl, ich weiß auch gar nicht ob das vielleicht unmöglich ist, weil: kunst ist ja was sehr persönliches… aber muss man es deswegen l-ssen?
[visa:] also ich glaub die verletzung, die dabei entsteht beim künstler, da kann man so lieb und freundlich schreiben, d-ss man’s nicht gut findet, wie man möchte; aber es bleibt ja dann doch trotzdem irgendwie ein problem
[bortot:] ich glaub, was vermutlich ganz gut wäre für alle, wäre es sich einmal vor augen zu führen, d-ss diese verantwortung überhaupt nicht besteht. also ich glaube nicht, d-ss sido oder bushido oder kool savas auch nur ein stück weniger erfolgreich gewesen wären, wenn sie nicht irgendwann auf ‘nem juice-cover gelandet wären. klar [marsimoto?] demo rausgezogen und das über gelegt (?) klar so “zufälle” , aber ich glaube im großen und ganzen wird das überschätzt … oder arbeiten kleinreden (?) oder die arbeit, die ich früher gemacht hab ist gar nicht so ein teil dieses betriebes, sondern ist im besten falle eine erweiterung der daraus zu beziehenden unterhaltung und das kann auch ein kritisches korrektiv sein, aber für den konkreten erfolg eines rappers hat es deutlich weniger einfluss darauf, als man glaube ich so denkt. das ist glaube ich eine gute sache, sich das vor augen zu führen… glaubst du nicht?
[leopoldseder:] ich hab da halt ein gegenbeispiel: ein rapper aus erfurt, glaube ich, “sonne ra”, der hat mal ein demo geschickt an die juice und ich hab’ darüber geschrieben, nicht sehr nett, ich hab das halt scheiße gefunden und hab das auch so geschrieben und dann jetzt jahre später hatte ich dann wieder mal kontakt mit dem, weil den gibt’s ja jetzt wieder und der hat mir gesagt, d-ss er aufgrund dieser review sehr geknickt war und beschlossen hat sich mit seiner musik nicht mehr an die medien zu wenden. der hat dann einfach ein paar jahre lang seine musik nicht mehr an die öffentlichkeit gebracht, weil das die einzige reaktion war, die er bekommen hat…
[marquart:] ja gut, aber das war ja seine persönliche reaktion und nicht, d-ss die m-sse da draußen gesagt hat “den hör ich mir niemals an, weil schlecht besprochen worden ist”, sondern er selbst hat dann für sich den schluss gezogen, d-ss er …
[leopoldseder:] aber da stand ja quasi drin, d-ss das völliger quatsch ist und man soll sich das nicht anhören
[marquart:] ja gut…
[leopoldseder:] das ist ja halt auch der sinn von ‘ner review oder das kann man damit machen, das ist ja auch oft eine empfehlung oder eben das gegenteil einer empfehlung, das ist natürlich scheiße
[visa:] hattest du dann ein schlechtes gewissen jetzt im nachhinein?
[leopoldseder:] nein, auf gar keinen fall. ich fand’s nur kr-ss, d-ss das so einen einfluss hat. den positiven einfluss den hat man ja immer so mitbekommen. man konnte früher eben zu juice-zeiten – da gab’s ja auch nicht so arg viele medien – wenn da jetzt ‘ne positive review drin war über jemand, den jemand kannte, dann sind danach auch sachen p-ssiert… ich meine ich habe ganz früh über so leute wie tua geschrieben oder irgendwelche rapper, aus denen dann später was geworden ist. wenn man dann aus der “industrie” das feedback bekommt “hey, ich hab das gelesen, daraufhin hab ich mir das mal angehört”, dann weißt du halt, du konntest was damit bewegen und dementsprechend kann man’s auch umgekehrt machen
[marquart:] aber jetzt sprichst du was an, was auch zu diesem unkritischen journalismus führt – nämlich das gefühl “ah toll, ich hab jemandem geholfen, ihn aufgebaut und ihm ‘ne chance gegeben, der es verdient hat” – was natürlich auch ein aspekt von musikjournalismus sein soll, wobei das immer schwieriger wird im internetzeitalter noch sachen zu entdecken, die jetzt ganz neu sind. meistens entdeckt man es ja im internet, wo es schon irgendwie was ist. aber dadurch entsteht ja aus diesem positiven wunsch jemanden aufzubauen oder jemand zu helfen, das ist ja schon der erste schritt wo man dann hingeht zu diesem ding, wo man eigentlich nicht mehr als journalist arbeitet, sondern schon als promoter oder als verlängerter arm einer promo, die der vielleicht nicht machen kann weil der gar keine kohle hat, etc. etc
[leopoldseder:] also mein ansatz für sowas war immer mehr so “hey, ich finde das cool und ich will, d-ss leute das anhören” und zwar nicht im sinne von “ich bin da jetzt unkritisch oder feiere jemanden ab, weil er so und so ist”, sondern ich feier das ab, weil das publik-m das hören soll – das ist cool und ich will, d-ss leute das anhören. da ging es mehr so nicht um’s entdecken für den künstler und für seine karriere, sondern um das entdecken für meine leser
[bortot:] das ist ja nun auch wo diese ganze branche herkommt auf ‘ne art, irgendwann haben leute gesagt, da gibt’s diese musik über die wird nicht geschrieben und das wir fans das machen, weil wir fans dieser musik sind – also die großen hip-hop-medien der 90er sind dadurch auch entstanden. ich glaub diesen aspekt, d-ss man sich durch die berichterstattung zum “teil des promo-armes” macht, der lässt sich einfach nicht wegdiskutieren. ich finde den begriff “journalismus” für das, was wir alle hier machen ohnehin grenzwertig mitunter, ich kenne die definition jetzt nicht so genau, aber es hat definitiv auch den teil, d-ss man auch teil dieses betriebs ist und das sollte man schon auch anerkennen, wenn man diese arbeit macht
[visa:] aber kann man das nicht auch, also “teil dieses betriebs sein” ohne, d-ss man irgendwie in frage stellen muss, wie man darüber berichtet. also, zum beispiel jetzt ralf in deinem fall, du hast ewigkeiten ja auch für mixery gearbeitet, ihr seid da ja auch permanent rappern begegnet… kann man es trotzdem schaffen, ‘ne freundliche ebene zu diesen künstlern zu haben, ohne d-ss es darüber hinaus geht, d-ss man irgendwann dann das gefühl hat “wir sind alle eine gang, keiner darf mehr über den anderen irgendwas sagen”? also kann man da diesen abstand halten, diese distanz in so ‘ner langen zeit?
[theil:] ich glaub man merkt halt immer wieder, d-ss grade die deutsche szene – und das ist ja das, was in den letzten 5 jahren viel viel erfolgreichen geworden ist – wir haben es ja nur mit ‘ner sehr überschaubaren, kleinen, deutschen szene zu tun in der jeder jeden irgendwie trifft, wo jeder mit jedem sprechen kann und wo jeder jeden irgendwie anrufen kann, wenn ihm was nicht p-sst. deswegen ist man natürlich in so ‘nem abhängigkeitsverhältnis von beiden seiten. das kann man nicht wegdiskutieren. also für mich, das was ich jetzt mache, wenn ich über hip-hop schreibe, das zahlt nicht meinen lebensunterhalt. deswegen ist es ein luxus zu sagen “ich hab jetzt darauf bock, darüber schreibe ich jetzt, das finde ich super” – aber es ist was völlig anderes, wenn du als teil einer redaktion für das gesamtkonstrukt, für das du arbeitest, entscheidungen treffen musst, weil die halt überhaupt nichts mit diesem subjektiven gefühl zu tun haben von “das will ich jetzt den leuten näherbringen”, sondern natürlich hat man so und so viel fläche und muss darauf gewisse sachen abbilden. und dann ist man halt schnell in so ‘ner relevanzdiskussion, worüber ja ganz viel und ganz unnötig diskutiert wird und worum sich ja in den letzten jahren plötzlich alle drehen und alle sind ja kleine hobby-a&rs geworden und das macht es halt so schwierig, d-ss es diese persönliche ebene gibt “der spricht gut über mich, der sprich schlecht über mich aber ich bin wichtig für den” und es ist wahnsinnig schwer das zu trennen. ich beneide keinen, der in dieser redaktionssituation ist und sachen abbilden muss, die man der vollständigkeit halber das gefühl hat machen zu müssen
[visa:] ist es bei dir ein bisschen anders, diese abhängigkeitssituation, weil du ja eben nicht für ein direktes hip-hop medium arbeitest – es gibt ja immer noch andere themen bei euch – kann man da diesen abstand so ein bisschen besser halten?
[süthoff:] ich würde sagen eher nicht, weil das gleiche p-ssiert, also jetzt unabhängig von promotern oder management oder so, ist man genau so in jeder anderen musik und dann heißt es – also wir machen ja auch reviews … viele leute verstehen die nicht, denn es sind die vice – reviews, die im magazin gedruckt sind, die haben ja auch so ‘ne gewisse tradition, man spricht nicht darum (davon) wann was musikalisch genau p-ssiert ist, sondern man spricht abstrakter darüber, bewertet aber trotzdem. und man merkt jetzt grade, wo wir die auch online stellen, d-ss viele leute das überhaupt nicht raffen und drauf abgehen, was wir teilweise schreiben, aber auch nur, wenn man kritisch ist. wenn’s positiv ist, dann liest es einfach nur keiner – und das ist ja auch sehr interessant. wer das aber liest, das sind die promoter und wenn du jetzt zum beispiel ein interview anfragst, hast aber was negatives mal geschrieben, oder was, das als “negativ” ausgelegt wird, was kritisches, dann wird man wirklich gefragt: “wieso wollt ihr jetzt mit dem ein interview machen?” und du sagst, der ist ja trotzdem für uns ein interessanter künstler und man kann ja mit dem sprechen, auch wenn wir das album nicht feiern oder auch wenn wir den song nich’ feiern oder das video nicht – dieses problem hat man da auf jeden fall auch, d-ss man auch überlegen muss… also wir sind da eigentlich knallhart und sagen dann “ja okay, dann halt nicht”, also wir würden eher auf das interview verzichten als auf die kritik
—toxik kommt dazu, wird von allen begrüßt, erklärt und entschuldigt seine verspätung—
[visa:] schön, d-ss du es trotzdem noch geschafft hast. wir haben schon mal ein bisschen angefangen ohne dich zu quatschen, vielleicht schmeiß’ ich dich jetzt einfach direkt ins kalte w-sser bei dem thema, wo wir grade sind. es geht so ein bisschen um abhängigkeiten zwischen musikjournalisten und künstlern und grad’ bei dir ist das auch vielleicht ein spannendes thema, weil du bist ja jetzt auch extra aus dem ruhrpott zu uns gefahren: welche rolle spielt denn so die geografische lage und vielleicht auch die geografische nähe zu gewissen “camps” in deiner arbeit beispielsweise? man weiß ja schon, d-ss du da unten.. also du wohnst da, du lebst da, da gibt’s auch viele rapper die kennen dich und mögen dich… beeinflusst dich das in deiner art und weise bericht zu erstatten über diese künstler?
[toxik:] also es hilft einem bestimmt, wenn man leute seit längerer zeit kennt, oder wenn man leute oft sieht, da ist die zusammenarbeit natürlich schon mal ein bisschen einfacher. wenn jemand am anderen ende von deutschland lebt, dann kann es vielleicht auch eher sein, d-ss irgendwas zwischen einem im raum steht, was niemals ausgesprochen wurde seit 9 monaten, weil der andere gar nicht weiß was los ist. das ist natürlich alles ein bisschen einfacher, wenn man sich besser kennt, das ist ja immer so im leben und das ist natürlich auch bei unserer arbeit so. ist mir auch vielleicht grade dadurch aufgefallen, d-ss es ja… also als ich angefangen hab ging’s eigentlich nur um berlin – wir sind halt eben nich’ in berlin ausnahmsweise – und inzwischen ist in düsseldorf jede menge los und wir sitzen in düsseldorf und da merkt man natürlich schon, d-ss einem das irgendwo hilft. gleichzeitig ist aber auch klar, d-ss wir kein regionalmagazin machen – und ich denke, das gilt für alle, die hier in der runde sitzen – und d-ss man dann natürlich eher zusehen muss auch dagegen zu arbeiten. und das aber dann nich in der richtung, d-ss ich dann sage: “nee, sorry jungs, das sieht jetzt irgendwie doof aus, wenn wir aus einer stadt kommen und jetzt oft was zusammen machen”, sondern d-ss man halt dann sagen muss “okay, trotz der zugprobleme versuchen mit berliner rappern gut zusammen zu arbeiten”. ist ja auch schon fast l-stig, heut zu tage wo man eh alles über internet und handy macht, das es trotzdem noch ein faktor ist, aber meine erfahrung ist so, d-ss es natürlich doch einen unterschied macht, ob man sich im jahr 12 mal trifft, oder ob man sich zwei mal trifft
[visa:] jetzt hast du ja viele positive aspekte angesprochen, aber gibt es denn auch den negativen aspekt, d-ss man einfach über gewisse leute dann nicht kritisch oder nicht nicht-informieren oder berichten kann? weil das einfach zu problemen führt, diese nähe?
[toxik:] gab’s ja glaub ich letztens ‘nen schönen artikel bei allgood drüber, oder? also was da drin stand, das kann ich schon alles nachvollziehen aber, ich weiß, es kommt immer ein bisschen drauf an. ich finde, d-ss es einem auch sogar helfen kann kritischer zu sein, weil früher oder später hat man dann halt den punkt, wo jemand einen dann anspricht und sagt “hey, was sollte das eigentlich? warum habt ihr das geschrieben? warum hast du in dem interview das gesagt? warum darf der in deinem interview das über mich sagen?” oder sonst was. da hat man dann ein streitgespräch, aber dadurch, d-ss man sich ja eigentlich gut versteht und sich ja oft sieht, gehe ich in interviews zum beispiel, da habe ich das gefühl, d-ss ich weiter gehe, wenn ich leute besser kenne. problematisch wird es glaub’ ich eher wenn weniger miteinander zu tun hat, als wenn man nah zusammen hängt. aber das soll nicht heißen, d-ss das immer einfach wär. also, wenn man sich mit jemandem sehr gut versteht und dann etwas p-ssiert, wo man weiß, das ist für den jetzt richtig scheiße, dann ist das natürlich ein scheiß job. hm, man arbeitet dann bestimmt auch mehr zusammen als mit denen, zu denen man gar keinen kontakt hat oder leute, mit denen man sogar stress hat oder wo man weiß, mit dem kann ich gar nicht mehr reden weil das eskaliert ist oder sonstwas
[leopoldseder:] ich finde es voll interessant, d-ss du grade die ganze zeit ganz selbstverständlich “zusammenarbeiten” sagst. also für mich ist das so: diese leute, die da diese musik machen und diese ganze sache veranstalten, sind ja eher das subjekt meiner arbeit. ich schreibe über die und das ist immer so das ding, ich versuche das zu vermeiden, d-ss man sagt oder permanent so zu denken “wir arbeiten mit denen zusammen”, weil dann sind wir wirklich wieder bei diesem punkt, das es ja dann einfach nur promo ist. das wollte ich nur mal einwerfen
[theil:] aber du kennst doch auch rapper?
[leopoldseder:] klar kenne ich rapper…
[theil:] wie gehst du denn damit um? also in der situation sind wir ja alle… also ich weiß, d-ss ich genug leute hab, wo ich ‘n komisches gefühl hätte, da ‘ne review zu schreiben weil – auch wenn ich mir gar keine positive meinung aus der nase ziehen muss, sondern wenn ich das wirklich gut finde und cool damit bin, will ich’s in vielen fällen nicht machen, weil das lieber jemand machen soll, der damit einfach nichts zu tun hat und nicht mit dem schon ‘n bier getrunken hat
[leopoldseder:] vielleicht ist die “kunst dabei”, d-ss man nicht mit whacken leuten abhängt…
aber im ernst, klar, das problem ist da, aber ich denke mir immer: wenn man sachen so schreibt oder so über leute spricht wie man es ihnen auch ins gesicht sagen würde, dann ist es einfach immer kein problem. ich hab auch wirklich schon leuten, mit denen ich mich gut verstehe, gesagt: “du, ich kann mit deiner mukke nichts anfangen.. sorry, aber ich hör mir das privat nicht …”
[toxik:] deswegen meine ich ja ist es manchmal leichter, wenn man sich gut versteht, als wenn man sich schlecht versteht..
[bortot:] das problem ist ja auch, wenn man nicht mit rappern abhängt, das hieße ja, d-ss man sich mit der materie nicht so auskennt und dann wäre man ja auch nicht in der position etwas signifikantes oder schlaues oder interessantes oder unterhaltsames darüber schreiben zu können – wo man dann schnell wieder beim handelsblatt ist… gut, der war jetzt außergewöhnlich beschissen, aber man hat ja öfter das gefühl, d-ss gute schreiber oder intelligente leute, die über andere themen schlaue sachen sagen, plötzlich über rap schreiben, d-ss man so denkt “ew, was schreibt der da überhaupt? versteht der ja alles nicht so…” hat natürlich bestimmt zu großen teilen wenig damit zu tun, d-ss derjenige ‘n vollidiot ist, sondern vor allem hat es damit zu tun, d-ss er sich mit dieser welt nicht so auseinandersetzt und mit dieser welt auseinandersetzen beinhaltet auch rapper zu kennen
[marquart:] aber nicht unbedingt mit denen rumzuhängen, oder? also da muss man schon eine grenze ziehen, finde ich
[visa:] das wollte ich jetzt gerade fragen. gibt es jemanden hier in der runde, der definitiv komplett ablehnt, mit rappern abzuhängen? mit rappern befreundet zu sein, weil das evtl. der arbeit im wege steht?
[marquart:] nicht deswegen, aber ich z.b. ich hab’ in meinem engeren freundeskreis keinen einen einzigen rapper so. und das hat sich einfach so ergeben, aber ich finde das auch ganz gut so, weil ich hab zu keinem rapper mehr als “man kennt sich von interviews” und das war’s. natürlich redet man auch privat etc., aber ich würd’ jetzt mit keinem rapper ein bier trinken gehen. ich hab kein bedürfnis danach. ich muss den privaten austausch mit denen einfach nicht haben so
[süthoff:] und du findest ja trotzdem bestimmt leute sympathisch und du magst die dann so?
hat das keinen einfluss oder nie einfluss? oder glaubst du’s?
[marquart:] das ist was total subjektives. ich mein sympathie spielt da auch mit rein. klar, wobei es gibt leute die finde ich als menschen beschissen, aber ihre musik finde ich gut
[süthoff:] ja das auf jeden fall. das kenne ich auch. jan hatte in diesem allgood-artikel auch geschrieben, d-ss es halt manchmal so richtig gut tut, wenn man voll dahinter steht, weil man jemanden wirklich feiert und den dann auch feier kann
[marquart:] das ist ja auch super
[ayke süthoff:] ja das ist ja auch super. aber fast ist das schon wieder ein bisschen schwierig
[ehlert:] also man findet ja leute, deren musik man richtig gut findet. die findet man ja auch, in der regel, schon ohne, d-ss man sie kennt kr-ss sympathisch
[süthoff:] das kann sich dann auch umdrehen
[ehlert:] das kann sich umdrehen. das p-ssiert mir eigentlich ganz, ganz selten, d-ss ich leute, deren musik ich gut finde, dann kr-ss unsympathisch finde. also zumindest bei deutschen rappern. bei ami rappern ist das nochmal was anderes
[marquart:] wer möchte denn mit kanye west zusammen ein bier trinken gehen?
[visa:] ich auf jeden fall
[marquart:] na gut vom spannend, aber jetzt nicht einfach so, freundschaftlich
[ehlert:] auf jeden fall würde ich, glaub ich, keine review bei ‘nem rapper schreiben, mit dem ich schon ein paar jahre beruflich oder vielleicht sogar auch mal privat zu tun hatte
[toxik:] selbst wenn du es gut machst, vielleicht glaubt es dir dann halt eben keiner mehr. selbst wenn du halt die musik total… also das objektiv gemacht hast und auch ein paar kritikpunkte reinbringst und es im großen und ganzen wirklich gut findet. die leute, die wissen, d-ss du die gewisse nähe hast, werden’s dir nicht mehr abnehmen
[visa:] aber wie ist es bei dir toxik? also man hat natürlich ja schon manchmal das gefühl, d-ss du mit manchen auch wirklich befreundet bist. was ja auch klar ist, wenn man einfach in der gleichen stadt wohnt
[toxik:] ist aber auch tatsächlich nicht so. also würde ich mich eher anschließen, d-ss es eigentlich keinen rapper gibt, mit dem ich regelmäßig rumhänge oder sonst was. wenn ich sage “man sieht sich” ist das eher so “man geht zum gleichen friseur” und dann trifft man sich da und dann redet man halt mal. aber es ist ja noch ein bisschen was anderes als “hey, was machst du freitag? kommst du vorbei? wir wollen playstation zocken.” oder poker spielen oder was auch immer der rapper in seiner freizeit so tut. die haben bestimmt spannendere hobbys als ich
[visa:] bevor wir über das ganze “dürfen wir mit rappern befreundet sein oder nicht”-thema gesprochen haben, ging’s auch so ein bisschen um das selbstverständnis, hier auch so von uns, als journalisten oder von den medien, für die wir arbeiten. wie ist es bei hiphop.de? wir haben am anfang so ein bisschen drüber gesprochen, d-ss schon boulevard und gossip mittlerweile eine ziemlich große rolle spielt und hier auch unterschiedliche meinungen dazu vorherrschen, ob das sinnvoll ist, ob das notwendig ist, ob man gar nicht mehr überleben kann. auch beispielsweise jetzt als portal, d-ss natürlich auf kl!cks angewiesen ist. ihr behandelt natürlich auch ab und zu, sehr offensiv und manchmal auch etwas krawallig quasi beef-themen, beispielsweise. müsst ihr das tun, weil ihr sonst gar nicht überleben könnt oder ist es einfach ein persönliches interesse und ein selbstverständnis, d-ss es einfach zu rap 2015 dazugehört?
-45,30’-
[toxik:] da muss man erstmal überlegen, was für einen alles zu boulevard dazugehört. jeder hat ja zumindest eine vage vorstellung davon, der jetzt auch zuguckt, und ich denke alle die hier sitzen haben auch ‘ne ziemlich konkrete vorstellung davon, weil sie sich damit viel beschäftigt haben… beef – sind wir uns wahrscheinlich alle einig – d-ss das zu 99,9 % ein boulevard-thema dann wohl ist. nicht über beef zu berichten ist meiner meinung nach nicht wirklich möglich, also jeder kann ja sein magazin machen, so wie er will und man kann ja sagen “ich mach’ ein magazin, da geht’s nur um musik, wir machen nur reviews und albumankündigungen” und solche sachen. aber von dem selbstverständnis was wir haben wäre das ein bisschen so ‘ne kopf-in-den-sand-einstellung, so “wenn ich’s nicht berichte, ist es nicht p-ssiert”. dann kann ich mit ‘nem super gewissen ins bett gehen, “ich bin toll und ich mach’ alles richtig, ich bin ganz ganz weit weg von der bildzeitung, weil: wer will schon wie die bildzeitung sein?” – also ich auf jeden fall nicht. man muss sich dann halt im detail damit beschäftigen. eine sache ist dann halt, jetzt zum beispiel ich schreib ja selten selber news, aber ich arbeite ja leute ein und geb’ ja den redakteuren auch ein bisschen was vor. dann beschäftigt man sich damit: “was ist boulevardjournalismus eigentlich? was ist daran eigentlich schlecht? was wird da vorgeworfen? wo kann man sagen : ja das ist auch scheiße und das möchte ich definitiv nicht machen? welche sachen sind davon vielleicht weniger schlimm?” und so weiter. wir versuchen eigentlich bei solchen sachen nicht, wie das grade meintest, krawallig zu berichten, sondern dann eher zu sagen: okay, wir haben jetzt in extremen auf der einen seite ein extrem “das ist wichtig und das hat eine hohe relevanz”, aber das ist so ein thema, da weiß man schon: höchst wahrscheinlich geht das voll unter. und dann hat man was anderes, grade beef ist ein gutes beispiel, da denkt man schon “okay, ist jetzt irgendwie ein bisschen bullsh-t auch alles und hat auch nicht unbedingt positive auswirkungen, aber kl!cks wird es auf jeden fall machen”. dann denk ich sollte man sich eher bei dem letzten fall ein bisschen zurücknehmen, sich 5 minuten mehr zeit nehmen und drüber nachdenken “wie kann ich das denn jetzt machen ohne herbei zu schreiben, d-ss die beiden sich jetzt morgen treffen und wirklich abstechen”. und bei dem anderen ding, wenn ich jetzt zum beispiel das sadat x – album total feier und mir schon denke das wird jetzt aber gegen den bero b-ss disst farid bang beef doch ein bisschen abstinken heute, dann denk da 10 minuten länger drüber nach, warum begeistert dich der typ, was findest du an dem album geil und wie kannst du jetzt so auf facebook posten und so ‘ne headline machen, d-ss irgendjemand das auch liest. weil ansonsten poste ich das für mein gewissen und für die drei anderen, die die gleiche meinung haben und sonst liest das kein schwein? weil das problem haben wir auch öfters, ist ja auch immer ein bisschen sache von der wahrnehmung. zum beispiel auf facebook, also wenn du beides machst und das machen wir ja, und du postest jetzt zum beispiel über sadat x und dann über “bero b-ss gibt farid bang stadtverbot”, was verteilt facebook weiter? was kommt bei den leuten an? dann können danach am nächsten tag die leute zu dir kommen und sagen: “warum schreibt ihr nur über so ‘ne scheiße?” ja, wir haben nicht nur darüber geschrieben, wie haben über beides geschrieben, aber natürlich ist das einzige, was bei den leuten ankommt, dann vielleicht das. also man muss sich halt überlegen, wie man die sachen präsentiert
[visa:] das zeigt ja – also grade in eurem fall – natürlich auch eine gewisse abhängigkeit und ich glaube das ist auch so ein wichtiges thema, was ich vorhin schon angesprochen hab, d-ss wir darüber vielleicht mal reden sollten: die verschiedenen modelle, wie eigentlich überhaupt sich diese hiphop-medien finanzieren. wenn man jetzt zum beispiel hiphop.de und das splash! mag gegenüber stellt, dann hat man ja schon das gefühl, d-ss das eine andere art und weise der berichterstattung ist und auch eine andere art der “abhängigkeit” da funktioniert. wir können ja vielleicht mal mit dem splash! mag anfangen. ich weiß ja nicht, wie offen und ehrlich ihr darüber redet, aber wie funktioniert das? wie finanziert sich dieses magazin? wie unabhängig kann es denn sein in seinen themen? oder, wie eben auch toxik gesagt hat, muss man teilweise themen einfach bedienen, wenn man weiß: das bringt eben kl!cks und das bringt geld. wie funktioniert das bei euch?
[leopoldseder:] also wir sagen uns ja, d-ss wir diese beef und gossip geschichten einfach nicht machen wollen – gar nicht. wie gesagt, warum ich das so sehe, das habe ich ja vorher schon ein bisschen ausgeführt. dann muss man halt schauen, d-ss man andere situationen halt herstellt. wir können uns nicht von kl!cks abhängig machen, weil dann bist du natürlich immer in dieser zw-ngslage, d-ss du dinge thematisieren musst, nur weil sie gut funktionieren. also bei uns ist es eher so, wie gesagt wir sind nicht auf youtube-money angewiesen, das wollen wir auch gar nicht. wir machen kooperationen mit marken, jetzt auch nicht unbedingt mit der musikindustrie, sondern diverse andere dinge und gucken, d-ss man mit denen zusammen coole sachen machen kann, also sprich: das wir die themen, die wir behandeln wollen und den “style”, den wir fahren wollen, das man den irgendwie umgesetzt bekommt. und dann, wenn das funktioniert – natürlich muss das auch erstmal funktionieren, aber es funktioniert – dann hast du halt die freiheit das zu tun, was du für richtig hältst. natürlich, das ist ein ganz anderes setup wie bei hiphop.de, aber …
[marquart:] aber da sind wir doch beim punkt der nächsten abhängigkeit dann, [?] die tauschen die eine abhängigkeit gegen eine andere abhängigkeit
[leopoldseder:] das ist halt die frage, weil da ist man ja nicht so akut abhängig, so…
[marquart:] weil die sich nicht drum kümmern, was du dann für inhalte bringst quasi? die marke schießt dir geld rein, solange du ihre schuhe abbildest und dann ist alles cool, oder wie meinst du?
[leopoldseder:] so in der art. also ich persönlich… naja, was heißt persönlich, aber journalistisch hat man mehr freiheit als magazin, wenn man das so gestaltet, weil die dir nicht in dein alltagsgeschäft reinquatschen. also du musst nicht immer hinterherlaufen hinter künstlern oder hinter der musikindustrie. du hängst da nicht so dran, sondern du bist natürlich auf eine andere art und weise abhängig, aber auf eine für die arbeit viel angenehmere art und weise. es tut mir nichts, wenn irgendetwas präsentiert wird von irgendjemand, wenn das auf den inhalt einfach nicht so arg abstrahlt wie andere abhängigkeiten
[bortot:] was ich echt interessant finde: der einzige hier in der runde, dessen arbeitgeber geld verdient, richtiges geld verdient sitzt hier (zeigt auf ayke süthoff von noisey) und die verdienen ihr geld, oder sind zu dem geworden, was sie sind, indem sie auf alles geschissen haben. mittlerweile ist das auch fragwürdig mitunter moralisch diskutabel, mittlerweile sind sie ja auch alles mögliche und eine agentur und ziehen marken das geld links und rechts raus und machen das sehr gut. aber trotzdem, ich finde, was in dieser ganzen diskussion viel zu kurz kommt ist die frage der qualität. die haben eine idee gehabt und das gemacht und haben das gut gemacht. davon gibt es in deutschland meines erachtens viel zu wenig. ich finde ein riesen problem ist, d-ss die qualität einfach nicht so da ist. wir als traditionelle gate-keeper haben an irgendeinem punkt versäumt, formate zu finden, irgendwas anzubieten, was für das internet funktioniert, ist einfach so. wir hätten damals, vor 10 jahren als ich noch bei der juice war, da hatten wir nicht mal ‘ne website, völlig absurd, zu einem zeitpunkt, wo wir selber unsere informationen schon ausschließlich aus dem netz bezogen haben gab’s das nicht. gibt sehr wenig leute in deutschland finde ich, die das was sie machen gut machen. so du (o. marquart) hast dir deine marke aufgebaut mit deinen interviews, es gibt leute und auch … und auf irgendeine art haben das rapupdate auch gemacht. das ist nichtmal journalismus auf ‘ne art, das ist ja eher so ein “nachrichtendienst”, oder ein aggregator, aber ich glaube grade, wenn wir über abhängigkeit reden: ich bin fest davon überzeugt, d-ss wenn man etwas gut macht, wenn man etwas anbietet, was leute haben wollen – egal, ob das reißerisch ist oder tiefsinnig, oder witzig, oder ernst – dann kann man damit leute erreichen. und damit kann man sich eine unabhängigkeit herausbauen, die es halt auch schafft zu überleben. so jemand wie staiger, der immer seine meinung gesagt hat – das ist selten meine meinung, aber der hat immer seine meinung gesagt – der hat es irgendwie geschafft, sich in dieser welt zu etablieren, d-ss er sicher nicht reich ist, aber zumindest in irgend einer form eine existenz für sich geschaffen hat als journalist und als jemand, der raus geht und auch dafür bezahlt wird, seine meinung zu äußern. ich finde an sowas kann man sich schon orientieren und oft ist man glaube ich ganz gut damit beraten, das inhaltliche voraus zu stellen und sich danach zu überlegen, wie man damit geld verdienen kann. das funktioniert nämlich erstaunlich oft und das ist nach meiner sicht ein problem, d-ss du zu viele leute sich überlegen: “okay, so und so könnten wir geld verdienen und dann machen wir das”. es gibt natürlich realitäten – wir sitzen hier ja auch alle schon und sind alle mitte 50, bis auf wenige ausnahmen – und da muss man natürlich auch schauen, wie man seine miete bezahlt in diesem immer teurer werdenden berlin und so weiter, aber grundsätzlich finde ich schon, d-ss wir uns alle auch an der eigenen nase packen können und uns mal mehr an die qualität erinnern könnten und versuchen sollten sachen zu machen, die einfach funktionieren
-53.52’-
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